Pressemitteilung

Schilddrüsenhormone: Funktioneller Mangel trotz Normalwerten

Lokale Wirkung an Organen kann beeinträchtigt sein

65. Deutscher Kongress für Endokrinologie vom 17. bis 19. März 2022 (online*): „Osteologie meets Endokrinologie und Endokrinologie meets Osteologie“

Baden-Baden, März 2022 – Die Bestimmung von Schilddrüsenhormonen im Blut zählt zu den Routineuntersuchungen in der Arztpraxis. Die Spiegel der Hormone T3 und T4 sowie des schilddrüsenstimulierenden Hormons TSH geben Aufschluss darüber, ob das Organ richtig arbeitet oder ob womöglich eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse besteht. Die hormonelle Balance kann jedoch auch bei normalen Blutwerten gestört sein. Denn wie stark die Schilddrüsenhormone in ihren Zielgeweben wirken, hängt auch von der Funktion der dortigen Hormontransporter, der für die Verstoffwechselung verantwortlichen sogenannten Deiodinasen und Hormonrezeptoren, ab. Bei welchen Krankheitsbildern solche lokalen Faktoren eine Rolle spielen und welche therapeutischen Möglichkeiten sich daraus in Zukunft ergeben könnten, diskutieren Expertinnen und Experten auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE) vom 16. bis 19. März 2022. Die Pressekonferenz findet am Dienstag, dem 15. März 2022 von 11.00 bis 12.00 Uhr online statt.

Teilnahmelink zur Online-Pressekonferenz:
https://attendee.gotowebinar.com/register/8195655639432176655

Kindliche Entwicklungsstörungen können – ebenso wie Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselprobleme beim Erwachsenen – durch einen Mangel oder einen Überschuss an Schilddrüsenhormonen verursacht werden. Vor allem die von der Schilddrüse produzierten Hormone T3 und T4, die zu den Schilddrüsen (Thyroid)- Hormonen (TH) gehören, haben einen weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung und die Funktion des Körpers. Wie genau die Wirkung der Schilddrüsenhormone in den Zielgeweben vermittelt und moduliert wird, erforscht seit rund eineinhalb Jahren der Sonderforschungsbereich (SFB)/Transregio 296 „Lokale Kontrolle der TH-Wirkung“ (LOCOTACT). Über 80 Kliniker und Grundlagenforscher mehrerer deutscher Universitäten und Forschungsinstitute arbeiten in diesem Forschungsverbund zusammen. „Im Rahmen von LOCOTACT konzentrieren wir uns auf drei wichtige Zielorgane von TH: Gehirn, Herz und Leber“, sagt Professor Dr. Dr. med. Dagmar Führer, Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel am Universitätsklinikum Essen und Sprecherin des SFB/Transregio 296. In allen drei Bereichen seien bereits wichtige neue Erkenntnisse gewonnen worden – etwa dazu, welche Rolle TH-Rezeptoren bei der Steuerung so unterschiedlicher Prozesse wie der Blutdruckregulation, der embryonalen Herzentwicklung oder der Vermehrung von Leberzellen spielen.

Diese Hormonrezeptoren befinden sich im Inneren der Zielzellen und stellen nur eine von mehreren Ebenen der Wirkungskontrolle dar. Zuvor wird bereits die Aufnahme von TH in die Zellen durch spezielle Transportproteine in der Zellmembran reguliert. „Zwei dieser Transporter sind essentiell dafür, dass TH in Muskel- und Gehirnzellen gelangt und dort wirken kann“, erklärt Führer. Wie eine an LOCOTACT beteiligte Arbeitsgruppe herausgefunden hat, beeinträchtigt das Fehlen oder die mangelnde Funktion dieser TH-Transporter die Gehirnreifung und -entwicklung – sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen. So geht etwa das seltene Allan-Herndon-Dudley-Syndrom (AHDS), eine schwere erbliche Entwicklungsstörung, auf Mutationen in dem TH-Transportergen MCT8 zurück. Nicht zuletzt wird die Hormonwirkung auch durch Enzyme, sogenannte Deiodinasen, beeinflusst, die Schilddrüsenhormone sowohl aktivieren als auch deaktivieren können. In weiteren Studien sollen nun verschiedene Möglichkeiten ausgelotet werden, die lokale TH-Kontrolle auf all diesen Ebenen nicht nur zu verstehen, sondern auch konkret zu modulieren. „Wir hoffen, dadurch langfristig neue Therapieansätze für seltene Erkrankungen, aber auch Volkskrankheiten wie die nicht-alkoholische Fettleber, Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erreichen“, so die SFB-Sprecherin Dagmar Führer.

„Ein besseres Verständnis der Wirkweise so wichtiger Hormone wie TH in den Zielzellen kann uns dabei helfen, neue Therapien für Erkrankungen zu entwickeln, für die bislang keine am Ursprung der Erkrankung ansetzende Behandlung zur Verfügung steht“, sagt DGE-Pressesprecher Professor Dr. med. Stephan Petersenn aus Hamburg. Dagmar Führer ergänzt: „Dieser Ansatz steht für eine neue Ära der Endokrinologie, in der die lokale Modulation der Hormonwirkung im Fokus steht und organspezifisch zur Prävention und Therapie eingesetzt werden kann“. DGE-Kongresspräsident Professor Dr. med. Jochen Seufert aus Freiburg fasst zusammen: „In diesem wichtigen Sonderforschungsbereich werden durch exzellente endokrinologische Forschung neue Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Schilddrüsenhormonen erarbeitet. Diese können wir in Zukunft über die bisherigen Behandlungsmöglichkeiten hinaus zum Wohle unserer Patienten einsetzen“.

*Aufgrund der Corona-Pandemie findet der 65. Deutsche Kongress für Endokrinologie vom 17. bis 19. März 2022 nun online statt.

Terminhinweis

Online-Pressekonferenz
Termin: Dienstag, 15. März 2022, 11:00 bis 12:00 Uhr
Teilnahmelink: https://attendee.gotowebinar.com/register/8195655639432176655

Mehr Informationen zur Pressekonferenz und vorläufiges Programm

Kontakt für Journalisten

Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Prof. Dr. med. Stephan Petersenn (Mediensprecher)
Dr. Adelheid Liebendörfer und Heinke Schöffmann
Postfach 30 11 20
D-70451 Stuttgart
Telefon: 0711 89 31-173
Telefax: 0711 89 31-167


www.endokrinologie.net
www.dge2022.de


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